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Villa Lampe klagt gegen das Jugendamt

Veröffentlicht am: 18. November 2022

Villa Lampe klagt gegen das Jugendamt

Eichsfelder Einrichtung wehrt sich vorm Verwaltungsgericht gegen Kündigung des Kinder- und Jugendschutzdienstes

Zwischen der Villa Lampe, kirchlicher freier Träger für Jugendarbeit im Eichsfeld, und dem Jugendamt des Landkreises herrscht Eiszeit. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte das Jugendamt öffentlich bekannt gemacht, dass eine Fachkraft der Villa im Kinder- und Jugendschutzdienst ihre Stellung missbraucht habe. Der Vorwurf: sexuelle Belästigung.

Damals hieß es, dass das Landratsamt unverzüglich mit der Villa-Geschäftsführung Kontakt aufgenommen habe, um eine Gefährdungseinschätzung vorzunehmen und „aktuell erforderliche Schutzmaßnahmen für die Kinder und Jugendlichen in die Wege zu leiten“. Der Landkreis behielt sich damals vor, alle vertraglichen Beziehungen einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen.

Die Villa trennte sich sofort vom verdächtigten Mitarbeiter und stand hinter der Anzeige, die das Jugendamt bei der Polizei erstattete. „Wir wollten damals nichts decken und werden das auch weiterhin nicht tun“, sagt Geschäftsführer Pater Ulrich Otto. Er wie auch der Rechtsbeistand der Villa hätten schon damals dem Jugendamt jegliche Zusammenarbeit bei der Aufklärung angeboten. Doch das wurde abgelehnt. Bis heute, so sagt er, sei die Staatsanwaltschaft nicht auf die Villa zugekommen. „Wir wissen weder einen Ermittlungsstand, noch, ob sich die Vorwürfe bestätigt haben oder es eine strafrechtliche Relevanz gibt.“

Jugendhilfeausschuss hatte keine Kenntnis von Kündigung

Trotzdem kündigte das Jugendamt nach eigener Angabe im Juni 2022 der Villa den Vertrag zum Kinder- und Jugendschutzdienst fristgerecht zum Jahresende mit dieser Begründung. Im Jugendhilfeausschuss im September aber stieß dieses Vorgehen einigen Ausschussmitgliedern bitter auf. Es habe weder eine Information an den Ausschuss gegeben noch eine Befassung desselben mit dem Thema, so Jugendpfarrer Philipp Förter.

Auch hätte das Jugendamt zugesagt, regelmäßig im nichtöffentlichen Teil zu informieren, wie der Verfahrensstand bezüglich der Vorwürfe sei. Auch das sei erst wieder am 13. September passiert, fast ein ganzes Jahr später. „Die Verwaltung des Jugendamtes hat unabhängig vom Jugendhilfeausschuss diese Entscheidung allein und ohne Rücksprache oder Ermächtigung getroffen und vollzogen. Für das Jugendamt steht diese Kündigung im engsten Zusammenhang mit den Vorwürfen“, so Förter.

Mehrere Ausschussmitglieder hätten in der Septembersitzung harte Kritik an diesem Vorgehen geübt. Sie seien erst über die Kündigung informiert worden, als es um die Einleitung eines Interessenbekundungsverfahrens ging, um einen neuen Träger im Kinder- und Jugendschutzdienst zu finden, der nahtlos am 1. Januar 2023 übernehmen soll.

Das Jugendamt aber sehe sich weiter berechtigt, so fasst Förter die Septembersitzung zusammen, diese und ähnliche Entscheidungen eigenverantwortlich als laufende Geschäfte aufgrund vorgegebener Regelungen und Grundsätze selbst zu bewerten und entsprechend bis zu Kündigungen tätig zu werden. Daraufhin, so Förter, habe sich die Mehrheit des Ausschusses genötigt gesehen, den Beschluss über das Interessenbekundungsverfahren zu vertagen. All das steht auch im Änderungsantrag, den er Dienstagabend stellte, schwarz auf weiß.

Die Villa Lampe aber hat am 6. Oktober beim Verwaltungsgericht in Weimar Klage gegen die Vertragskündigung eingereicht. Auch gibt es einen sogenannten gerichtsanhängigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um möglicherweise noch eine Eilentscheidung in dieser Sache in diesem Jahr zu erlangen. Das Gericht wiederum teilte dem Jugendamt in einem Schreiben Anfang November, das der Redaktion vorliegt, mit, dass die streitgegenständliche Kündigung „keinerlei Ermessenserwägungen von Seiten des Antragsgegners erkennen lässt“. Dass hier nur eine Kündigung als einzig in Betracht kommende Entscheidung hat erfolgen können, sei angesichts einer „jahrelangen beanstandungsfreien Zusammenarbeit mit der Antragstellerin nicht naheliegend“, heißt es im Schreiben aus Weimar. Zumal der in Rede stehende Mitarbeiter schon lange nicht mehr beschäftigt sei.

Das Verwaltungsgericht regt aus verfahrensökonomischen Gründen eine vergleichsweise Regelung an, zum Beispiel eine Vertragsverlängerung für einen von den Beteiligten festzulegenden Zeitraum, und setzte dem Jugendamt eine Frist zur Stellungnahme und Antragserwiderung von zwei Wochen.

Das dem so ist, bestätigte in der Sitzung Jugendamtsleiterin Nicole Weber. „Es geht bei dem Vergleich nur um den Zeitraum, wann der Vertrag beendet wird“, sei ihre Auffassung. Und darum, ob man sich vergleiche. Und sie sagte auch, dass sich ein Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht mehrere Jahre hinziehen könne.

Gremium soll Beschluss nicht als Stellungnahme werten

Jugendpfarrer Philipp Förter mochte es bei der blanken Interessensbekundung in Sachen Trägersuche nicht belassen. Er stellte den Antrag, dass im Beschluss zwei Sätze Eingang finden, nämlich dass er unter Vorbehalt einer gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz über die Rechtmäßigkeit erfolge und dass die Einleitung des Interessenbekundungsverfahrens nicht als Stellungnahme zugunsten der Kündigung gewertet werden dürfte. Dem konnten die Ausschussmitglieder folgen.

Pater Ulrich Otto empfindet die Begründung der Kündigung als schlimm. „Wäre kein Grund angegeben gewesen, oder hätte man gesagt, wir wollen mal mit einem anderen Träger zusammenarbeiten, dann wäre es gut gewesen“, sagt er. Aber mit Verweis darauf, dass bis heute kein Ermittlungsergebnis da sei, sehe er dieses Verhalten als Rufmord an der gesamten Villa Lampe, die 25 Jahre beanstandungsfrei, bis auf diesen einen Vorfall, den Kinder- und Jugendschutzdienst leiste, dazu offene Jugend- und die Schulsozialarbeit. „Die gesamte Einrichtung wird in Sippenhaft genommen.“

Die offene Jugendarbeit und die Schulsozialarbeit seien von der Kündigung nicht betroffen, bestätigt Pater Otto. Und er wiederholt, was er schon vor einem Jahr sagte: „Wir werden aufklären, mit allen Konsequenzen und ohne Rücksichten auch auf die weiteren Geschicke der Villa Lampe.“

18.11.2022 © Thüringer Landeszeitung